SonstigesNationalsozialismus
- Von
- 1938
- |
- Bis
- 1945
Wie kaum eine Ortschaft in der Steiermark, die Landeshauptstadt Graz ausgenommen, war Liezen eine Hochburg des Nationalsozialismus. So fasste bereits im November 1932 die ganze Heimwehrgruppe in Liezen formell den Beschluss zum Übertritt in die NSDAP. Nach der Niederlage der Arbeiterbewegung bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Februar 1934 und der Errichtung der Diktatur durch Engelbert Dollfuß („Austrofaschismus") spielte wiederum Liezen eine herausragende Rolle beim fehlgeschlagenen Putsch der Nationalsozialisten am 25. Juli 1934 („Juliputsch"). Liezen war darüber hinaus auch Sitz der Putschleitung des steirischen Ennstales. Bei den Kämpfen starben 2 Bundesheerangehörige, 4 Unbeteiligte und ein Aufständischer. Laut Aufzeichnungen der Gendarmerie wurden in der Folge insgesamt 157 Personen, darunter 8 Frauen, verhaftet und angezeigt. Liezen hatte damals laut Volkszählung 2417 Einwohner. Berücksichtigt man, dass sich die Aufständischen vor allem aus den Jahrgängen ab 1900 zusammensetzten, so kann man davon ausgehen, dass nahezu 20 Prozent der 15- bis 35-jährigen männlichen Bevölkerung Liezens beim Putsch als nationalsozialistische Aktivisten angesehen werden konnten. Zusammen mit den passiven Unterstützerinnen und Unterstützern stellten die Nationalsozialisten somit bereits damals einen erheblichen Teil der Bevölkerung dar. Daran änderte die Niederlage beim Putsch nichts. Im Gegenteil. Ein Bericht des Bezirkshauptmannes aus dem Jahr 1936 hält fest, dass die Mehrheit der bürgerlichen Bevölkerung immer deutschnational eingestellt gewesen sei und „mit der NSDAP mehr oder minder sympathisiert" habe. „Bürger und Bauern wünschten sich vor allem den Ausgleich mit dem Deutschen Reich, während die Arbeiterschaft nur wenig von der NSDAP beeinflusst gewesen sei. So kann man davon ausgehen, dass der „Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 auch in Liezen auf eine weitaus überwiegende Zustimmung stieß, wenn auch das Abstimmungsergebnis vom 10. April 1938 (99,91% „Ja" im Bezirk Liezen) auch für den Ort mit guten Gründen bezweifelbar bleibt.
Für die Entwicklung des Ortes von besonderer Bedeutung in mehrfacher Hinsicht war die unmittelbar nach Kriegsbeginn begonnene Errichtung der Schmidhütte (Maschinenfabrik Liezen) ab 1939. Nicht zuletzt durch den dadurch erfolgten Zuzug an Arbeitskräften stieg die Bevölkerungsanzahl des Ortes bis zum Kriegsende auf fast das Doppelte an. Dass das Werk von Anfang an als reiner Rüstungsbetrieb konzipiert war, stieß bei der Bevölkerung leider kaum auf Misstrauen. Vielmehr überwog entsprechend der Propaganda vor allem in der ersten Zeit die Zufriedenheit mit der damit verbundenen Aufwärtsentwicklung, waren damit doch auch umfangreiche Siedlungsbauten für die erforderlichen Arbeitskräfte verbunden.
Bedauerlicherweise sind die Ereignisse in Liezen zwischen dem sogenannten „Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich und dem Ende des 2.Weltkriegs und der nationalsozialistischen Herrschaft nur wenig erforscht. Insbesondere gibt es bisher nur oberflächliche Kenntnisse über die Schicksale von Gegnern und Opfern der NS-Herrschaft in Liezen. Informationen und zweckdienliche Hinweise dazu sind erwünscht.
Quellen:
F.L.Carsten, Faschismus in Österreich, München 1977
Kurt Bauer, Elementarereignis, Wien 2003
Liezen - Festschrift 1997