SonstigesKriegsende 1945
- Ab / Am
- 08.05.1945
Gegen Kriegsende kamen die Amerikaner von Norden und die Russen von Süden her Richtung Liezen. Am 7. Mai 1945 um 13:45 Uhr rückten Einheiten der amerikanischen 80. Infanterie-Division, geführt von Generalmajor G. W. Smythe, vom Pyhrn kommend in Liezen ein. Vermutlich am 9. Mai 1945 trafen amerikanische und russische Soldaten erstmals an der Demarkationslinie auf der Röthelbrücke zusammen. Auf dem zur Erinnerung an dieses Treffen aufgestellten Gedenkstein in kyrillischer Schrift wird das Datum allerdings mit 11. Mai 1945 angegeben. Das Treffen der siegreichen amerikanischen und russischen Truppen wurde am 11. Mai 1945 nördlich der Röthelbrücke mit einer Parade vor den kommandierenden Generälen McBride und Woskrenensky gefeiert. Die Enns bildete die Demarkationslinie. Das hatte zur Folge, dass Liezen von den Amerikaner besetzt wurde und Selzthal und die Orte südlich der Enns von den Russen. Die amerikanische Besatzung in Liezen dauerte bis 9. 7. 1945. Mit diesem Tag wurde die Besatzung in Liezen an die Engländer übergeben. Die Russen übergaben die Besetzung erst am 24. 7. 1945 an die Engländer.
Lina Schmelz: Durchreise durch Liezen
- 04.1945 - 04.1945
Lina Schmelz ist eine oberösterreichische Schriftstellerin. In dem 1992 erschienenen 43 Seiten starken Bändchen “Traute Heimat. Meine Jugenderinnerungen” beschreibt sie ihre Jugenderinnerungen, unter anderem auch ihre Flucht mit Begleiterinnen auf Fahrrädern vor den anrückenden Russen zu Kriegsende nach Tirol. Dabei kam sie auch nach Liezen. Die Übernachtung in Liezen verlief aus ihrer Erinnerung durchaus positiv:
In der Nähe von Liezen fanden wir dann auch eine freundliche Bauernfamilie, die uns die Nacht über bei sich aufnahm. Mit unserem halbwüchsigen Bruder hatten auch diese Leute Mitleid, er durfte auf einem Diwan schlafen und wir Großen verkrochen uns abermals im Heu. Beim Frühstück in der Bauernküche, wo wir wieder unseren Tee zubereiten durften, mussten wir mit Entsetzen feststellen, dass unser Brotvorrat zu Ende ging. In normalen Zeiten kauft man einfach Brot, aber in diesen letzten Kriegstagen bekam man auch für Geld und Brotmarken keines. Also haben wir gleich beim ersten Bäckerladen versucht, doch etwas Brot zu bekommen. Die Bäckersfrau hatte uns durchs Fenster schon beobachtet, wie wir unsere Räder abstellten, und voller Neugier kam sie vor die Tür. Wir sagten ihr, woher wir kamen und wohin wir wollten, und dass wir dringend Brot brauchten, weil wir nichts mehr zu essen hätten. Sie fragte uns, ob wir schon gefrühstückt hätten, was wir natürlich verneinten, denn ein nagendes Hungergefühl war sowieso unser ständiger Begleiter. Dann ging sie ins Haus und kam nach kurzer Zeit mit einer Kanne herrlich duftenden Kaffees zu uns heraus. Für jeden von uns hatte sie noch ein Stück Mehlspeise mitgebracht und unser köstlicher Frühstücksschmaus mitten auf der Straße hatte eine Menge Neugieriger angelockt. Die Leute hier konnten gar nicht glauben, dass wir vor den Russen geflohen waren, denn sie waren ja viel zu weit weg von dieser Gefahrenzone. Diese gutherzige Bäckersfrau gab uns noch einen kleinen Laib Brot mit auf den Weg, und so war für diesen Tag unser Essensvorrat wieder aufgefüllt, denn Speck und Schmalz hatten wir noch genug.
Rudolf Polzer: Kriegsende in Liezen
- 1945
Stadtchronist Rudolf Polzer schildert das Kriegsende in Liezen wie folgt:
In den letzte Tagen des 2. Weltkrieges und schließlich in der Zeit vom 8. - 11. Mai 1945 war Liezen Ziel- und Zwischenziel einer großen Fluchtbewegung. Aus dem Süden und Südosten strömten Soldaten der sich auflösenden Deutschen Wehrmacht und mit ihnen eine riesige und unabsehbare Menge von Flüchtlingen nach Norden und Nordwesten. Dies waren vor allem Menschen aus Ungarn und Jugoslawien, deren gemeinsames Ziel es vorerst war, den Truppen der Roten Armee zu entkommen.
Inzwischen war auch bekannt geworden, dass die Enns als Demarkationslinie zwischen den Sowjets und den USA dienen sollte. Während die Truppen der USA bereits am 8. Mai in Liezen eintrafen, erreichte die Rote Armee erst am 11. Mai die festgelegte Grenze.
In Liezen waren in diesen Tagen die Ostarbeiter, so nannte man die hauptsächlich aus Osteuropa herbeigebrachten Arbeitskräfte, bestrebt, wieder in ihre Heimat zu gelangen, oder sich auch weiter nach Westen durchzuschlagen. Nur wenige aus dieser Menge sind hier verblieben. So waren das Hüttenlager und auch die beiden ehemaligen RAD-Lager sehr rasch wieder voll, diesmal von Flüchtlingen. Viele dieser Menschen sind später nach Deutschland weiter gezogen und manche wanderten auch in folgenden Jahren nach Übersee aus. Von den Soldaten zogen fast alle weiter nach Westen und nur jene warteten hier, die vorerst noch nicht nach Wien, Niederösterreich oder in das Burgenland heimkehren konnten. Die meisten davon arbeiteten zwischendurch als Hilfskräfte in der Landwirtschaft. Außer den vorerwähntem Barackenlager gab es noch da und dort derartige Notunterkünft, die nun bald voll waren. Nördlich des später entstandenen Dr. Karl-Renner-Ringes stand eine Baracke und eine weitere südlich der Häuser Werkstraße 4 und 4a. Als einziges Relikt aus dieser Zeit ist diese letzte Baracke heute noch zu sehen. In diesen Jahren machte eine Scherzfrage die Runde: "In welcher Stilperiode leben wir?! Die Antwort lautete: "Wir sind vom Barock in den Barack - Stil gekommen !"